↑ Zurück zu Geschichten

Wie merkt man sich die korrekte Schreibweise?

Theo – Immer wieder Tränen, weil Kinder versuchen, sich die Wörter auf eine Art zu merken, die einfach nicht funktionieren kann
                                                                   

Theo, 11 Jahre, ein robuster Junge mit breitem Dialekt und einer lauten Stimme (Bewegungstyp). Auf die Frage, was sein Problem ist, antwortet er, ohne die aufkommenden Tränen unterdrücken zu können: „ Ich treff` nicht immer die richtigen Buchstaben.“

Die genaue Diagnose ergibt, Theo hört alle Wörter von der Sprechsprache ab. Er hat das Gefühl für sichere und unsichere Wörter vollkommen verloren: „Nee, auch bei meinem eignen Namen bin ich nicht sicher, da kann immer noch was anders sein.“ Er hat außerdem Schwierigkeiten mit dem Schreibablauf, kann den Schreibfluss nicht sinnvoll stoppen, d. h. er hört beispielsweise nach dem ersten Buchstaben oder mitten in einer Silbe auf zu schreiben

Damit Theo und seine Eltern sich besser erinnern können, was ich ihnen während der Beratung gesagt habe, schreibe ich anschließend einen Brief (Auszug).

 

Lieber Theo,

hier noch einmal die Ergebnisse unserer Beratung vom 14. August:

Du hast gesagt: „ Ich treff´ nicht immer die richtigen Buchstaben.“  Dazu möchte ich dir noch sagen, dass das auch schwer ist, – eigentlich ist es unmöglich! Es ist daher nicht verwunderlich, wenn es nicht klappt.
Du hast ganz richtig gesagt, manche Buchstaben kann man schon hören. Aber auch wenn man jetzt ein o in einem Wort hören kann, weiß man davon noch lange nicht, ob das o diesmal mit h oder vielleicht oo geschrieben wird, denn vieles kann man eben nicht hören. Um ganz sicher zu sein, wie ein Wort geschrieben wird, muss man wissen, wie es aussieht, denn wir schreiben nicht genauso, wie wir sprechen. Es geht also oft nicht darum, „die richtigen Buchstaben zu treffen“ (die zu den gehörten Lauten passen), sondern hinzuschreiben, was man eh schon weiß bzw. wissen sollte, nämlich, wie das Wort aussieht, so wie es nun mal geschrieben wird.
Und noch besser läuft die Sache, wenn du dir das Wort (bei längeren Wörtern in Teilen z. B. Silben), kurz bevor du es schreibst, schon auf dem Blatt vorstellen kannst. Du ziehst dann praktisch nur die Linien nach. So passieren dir auch keine Flüchtigkeitsfehler. Versuch, es immer so zu machen.

Wir haben zusammen festgestellt, dass du, wenn du ein Wort ganz sicher schreiben kannst, es auch selbst ganz sicher merkst und weißt. Das ist prima! Man muss nämlich sichere von unsicheren Wörtern unterscheiden können. Übe dich darin, schneller zu wissen, ob du sicher bist!

Wenn du ganz sicher bist, wie das Wort aussieht, dann schreibe das Wort einfach hin (ohne an irgendwelche Regeln zu denken).

Wenn du nicht ganz sicher bist, hast du mehrere Möglichkeiten:

  1. Du schreibst das Wort mit einem Stift auf ein Schmierblatt, bei mehreren Möglichkeiten alle, die dir einfallen, und guckst, ob du dadurch sicherer wirst.
  2. Falls es nichts nützt, frage jemanden (Mama, Papa, Klassenkameraden, Lehrerin).
  3.  Oder schlage das Wort nach und präge es dir dabei genau ein!

 

Training

 

Ich übe mit Theo das visuelle Erfassen der Wortbilder und den korrekten Schreibablauf.

Nach einigen Stunden Training:
Theo ist fröhlich und zuversichtlich. Er geht die noch verbleibenden Schwierigkeiten mutig an. Theo schreibt ein Wort mit Binde-s und Dreifach-Konsonanten: Schifffahrtsgesellschaft. Nach Schiff… und Schifffahrts… hält er an. Ich mache ihn darauf aufmerksam. Er sagt: „Ja, ich halt da dann an und schau zurück, das gibt mir irgendwie Sicherheit, bevor es dann weiter geht.“

Durch die Fähigkeit seinen Bewegungsablauf beim Schreiben zu kontrollieren hat Theo seine Rechtschreibung viel besser im Griff.